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Sternverlag Düsseldorf: Gruselbilder einer toten Buchhandlung


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Die einst größte Buchhandlung Europas wird abgerissen - doch noch sieht alles aus, als ob der Betrieb jederzeit wieder losgehen könnte. Eine Nachtwanderung.

Axel Viehöfer ist Regional Manager bei der Hotelkette Motel One und hat seit Monaten einen besonderen Schlüssel in der Tasche: Den Generalschlüssel zum “Buchhaus Sternverlag”. Die ehemalige Buchhandlung an der Düsseldorfer Friedrichstraße steht seit 2016 leer, nun wird sie bald entkernt und zum Hotel umgebaut - fehlt bloß noch die Baugenehmigung.

So weit so gut.

Wenn Axel Viehöfer allerdings Freunden und Kollegen von seinem Projekt erzählt, beginnen oft deren Augen zu blinken und sie fragen vorsichtig: “Darf ich da vielleicht noch mal rein?”

Das kann man seltsam finden, allerdings nicht, wenn man aus Düsseldorf kommt. Als Weihnachten 2015 der Sternverlag ankündigte, zu schließen, verfiel die Stadt für einen Tag lang in Schockstarre. Die einst größte Buchhandlung Europas hat viele Düsseldorfer ihr Leben lang begleitet: Sie fanden hier ihre ersten Bilderbücher, bestellten später die Bücher für das nächste Schuljahr oder Semester und kauften hier den jährlichen Roman für den Strand. 116 Jahre voller Erinnerungen, seit drei Jahren weggeschlossen und konserviert. Denn noch steht das Buchhaus.

Letzte Woche öffnete Axel Viehöfer, zusammen mit den Wirtschaftsjunioren Düsseldorf, ein letztes Mal die Türen des Sternverlags. Ich war dabei, um bei einer Podiumsdiskussion über die Zukunft von Büchern und Geschichten zu sprechen - und verließ das Gebäude sehr nachdenklich.

Bilder eines nächtlichen Rundgangs.

Die Kammern

Die 8000 qm des Sternverlags erstreckten sich über mehre Etagen und Zwischengeschosse - der Weg zum Buch war hier niemals kurz. Dahinter steckte Konzept: Auf den Irrwegen zur Abteilung “Reiseführer” oder “Jugendbuch” entdeckte man mindestens zehn spannende Bücher, die man nicht gesucht hatte. Die einzelnen Abteilungen wirkten dabei eher wie “persönlich geführte Spezial-Buchhandlungen”, so gut und liebevoll waren sie sortiert. Selbst Stammgäste stolperten immer wieder in große Areale, die sie noch nie zuvor gesehen hatten.

Die Gänge

Nein, das hier ist keine Montage, es ist ein Foto. Nicht nur, dass die Zahl der Treppen es mit Hogwarts aufnehmen kann, die Verspiegelung sorgt für zusätzliche Irritation. Bei unserem Rundgang erinnerten sich einige daran, wie sie als Studenten bei der Inventur geholfen hatten: “Bevor man da reingeschickt wurde, war die erste Frage: Kennst du dich hier aus? Wenn nicht, bekam man eine Begleitung gestellt. Sonst fand man nirgendwo hin oder wieder zurück.”

Die Pflanzen

Das gruseligste der Nachtwanderung: Die undefinierbaren Pflanzen am Fuße des Treppenaufgangs leben noch. Das ganze Haus macht den Eindruck, als könne es jederzeit wieder in Betrieb gehen - die Rolltreppen laufen noch, die Klospülungen gehen, die Elektronik steht. Seit drei Jahren hält ein Hausmeister alles am Laufen. Nur die Pflanzen gießt er nicht - angeblich.

Der Fahrstuhl

Der Sternverlag war in seinem 116-jährigen Bestehen immer in Familienbesitz - und die Familie wohnte über dem Buchhaus. Mit diesen Fahrstuhl konnten sie direkt in den eigenen Buchtempel hinabfahren. Hat was.

Das Ende

Die einstige Mega-Buchhandlung Sternverlag besteht nun aus: leeren Brettern. Jahrzehntelang ächzten diese Bretter unter dem Gewicht von Seiten und Buchdeckeln, jetzt sehen sie luftig, aber traurig aus.

Wer hat Schuld?

Die meisten Düsseldorfer, inklusive der ehemaligen Mitarbeiter, sind sich da sicher: Der Online-Handel ist schuld. Zum Rosenmontagszug 2016 ließ ein “Amazon-Teufel” den Sternverlag verglühen.

Ich bin mir da nicht so sicher - der Buchmarkt hat seit 2012 Millionen Käufer verloren, aber der Umsatz des Sortimentsbuchhandel ist stabil. Natürlich schließen immer mal wieder Buchhandlungen. Vor drei Jahren eben die größte Deutschlands.

Interessant ist, dass eine leere Buchhandlung uns mehr berührt als, sagen wir, ein leer stehender Schlecker oder Kaufhof. Vielleicht, weil die Beziehung von Buch und Mensch schon Jahrtausende währt.

Eines steht jedenfalls fest, Baugenehmigung hin oder her: Aus dem Gebäude an der Friedrichstraße wird nie wieder eine Buchhandlung werden.

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