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Wie du dich in ein Thema einarbeitest


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Für Schule, Uni und Beruf musst du richtig recherchieren können – das hier ist mein bewährter Prozess.


  1. Nie war es wichtiger, dass wir uns schnell und routiniert in neue Themenbereichen einarbeiten können
  2. Bei deiner Recherche gehe in folgender Reihenfolge vor: Überblick verschaffen, Konzepte verstehen, Muster und Widersprüche erkennen
  3. Verknüpfe alles, was du lernst, mit dem, was du schon weißt. Horte nicht einfach nur Wissen.

Zu meinen zwei Leben als a) Produktmanager und b) Science-Fiction-Autor gehört, dass ich mich wöchentlich in neue Themen arbeite. In der letzten Woche stand zum Beispiel auf meinem Zettel:

• Suchmaschinenoptimierung in Zeiten generativer KI
• Pilze als Holzersatz, Stand der Entwicklung
• Druckluft als Energieform Anfang des 20. Jahrhunderts
• Product Led Growth in Verbindung mit Enterprise-Kunden

Das ist ein wilder Mix, aber wahrscheinlich sieht es in deinem Leben nicht so sehr anders aus. Wir alle müssen uns ständig in neue Themen einarbeiten – nicht nur für Schule und Uni, ein Leben lang. In einer Welt, die sich immer schneller dreht, muss jeder von uns gut recherchieren können.

Jeder macht das anders. Im Laufe der Jahre hat sich für meine Recherchen ein Prozess bewährt, den ich gerne mit dir teile.

Überblick verschaffen

Bevor ich in die Recherche gehe, will ich verstehen, was das Thema umfasst. Was gibt es zu wissen? Was davon habe ich noch nie gehört?

Wikipedia ist meine erste Anlaufstelle, weil falsche Informationen dort nahezu ausgeschlossen sind. Außerdem geht Wikipedia, im Gegensatz zu den ersten Google-Treffern, in die nötige Tiefe. Genau das ist aber manchmal ein Problem. Einige der wenigen tausend Wikipedia-Schreiber können einfach keine guten Enzyklopädie-Artikel schreiben1. Sie gehen zu sehr ins Detail, verlieren sich in großen, geschichtlichen Abrissen oder erklären einen Fachbegriff mit fünfzehn anderen Fachbegriffen.

Zum Glück gibt es ChatGPT. Wenn mich ein Wikipedia-Artikel ratlos zurücklässt, liefert mir ChatGPT einen Überblick zum Thema, und zwar in der immer gleichen, ausgewogenen Form. Wenn ich will, kann ich ChatGPT sogar mein Vorwissen mitteilen. Einziges Problem: je exotischer das Thema, desto hemmungsloser lügt mich ChatGPT einfach an.

Mein neustes Werkzeug im Bunde ist deswegen Perplexity.ai. Dort erhalte ich deutlich faktentreuere Zusammenfassungen als bei ChatGPT, zusätzlich liefert das Tool direkt die verwendeten Quellen. Dafür bleibt Perplexity immer etwas oberflächlich.

Meist nutze ich eine Kombination von mindestens zwei der genannten Tools.

Wikipedia ChatGPT Perplexity.ai
Tiefgehend
Ausgewogen
Faktentreu

Konzepte verstehen

Im nächsten Schritt gehe ich in die Tiefe. Dafür nutze ich fast immer das Standardwerk zum Thema. Ja, ein Buch! Keine Blog-Posts, keine Podcasts, keine Twitter-Threads.

Oft gibt es die unangefochtene „Bibel“ zum Thema. Wenn nicht, wähle ich das richtige Buch nach folgenden Kriterien:

  • Über 4,0 Sterne bei Goodreads2
  • Qualität schlägt Aktualität: neuste Entwicklungen schlage ich später nach
  • Kein „Für Einsteiger“-Buch. Die sind fast immer zu kurz und oberflächlich. Lieber überblättere ich ein paar Seiten oder schlage einen Begriff nach.

Ich möchte mit meiner Lektüre keinen Faktenkatalog auswendig lernen, sondern Konzepte verstehen. Ryan Holiday hat das neulich gut ausgedrückt.

Wir lesen nicht, um ein paar verstreute Informationen aufzusammeln. Was sollte das bringen? Wir lesen, um eine Menge echter Weisheiten zu sammeln, die wir im Leben anwenden können.

These 38 Reading Rules Changed My Life (Ryan Holiday, 2023)

„Weisheiten“ oder die grundlegenden Konzepte hinter einem Thema altern nicht – jedenfalls nicht so schnell wie manche Buchtitel suggerieren.

Muster und Widersprüche erkennen

Es gibt tausend falsche Wege, ein Buch zu lesen, und nur einen richtigen: mit dem Stift in der Hand. Das klingt sehr dogmatisch, ich weiß. Ich habe mich auch lange gegen diese Erkenntnis gewehrt.

Ich weiche das Dogma etwas auf: es muss kein echter Stift sein und auch kein echter Zettel. Wenn ich beim Lesen auf einen interessanten Gedanken stoße, mache ich mir eine Notiz in meiner To-do-App Omnifocus. Das funktioniert für mich viel besser, weil ich es nie schaffe, einen Notizblock zur Hand zur haben.

Was aber erwiesenermaßen nichts bringt, ist die interessante Stelle einfach zu markieren (egal ob in der Papierausgabe oder auf dem Kindle). Ich markiere Stellen, wenn ich sie schön finde3, nicht wenn ich mit ihnen arbeiten will.

Mit dem Buch arbeiten heißt das Gelesene mit dem verknüpfen, was ich weiß. Was ergibt jetzt (mehr) Sinn? Was widerspricht sich? Welche Theorien, Kategorien, Gedankenmodelle erkenne ich wieder? Ohne diese Arbeit „wäre kein professionelles Lesen möglich“, sagt der Bildungswissenschaftler Söhnke Ahrens4. „Man würde jeden Text auf die gleiche Weise lesen: Wie einen Roman.“

Manche Erkenntnis habe ich schon beim Lesen, manche erst, wenn ich meine Notizen auswerte. In jedem Fall gilt das, was der König des Wissensmanagement Niklas Luhmann häufig sagte: „Ohne zu schreiben, kann man nicht denken.“5

Erklären = selber besser verstehen

  • Präsentation für Kollegen erstellen
  • Blog-Post schreiben
  • Social Media Post veröffentlichen

Weiter forschen

Nach der Buchlektüre ist der Zeitpunkt gekommen, wo ich aktuelle Blog-Posts lese, mir Expertenmeinungen in Podcasts anhöre und mit Leuten spreche, die sich auskennen. Durch meine Vorarbeit kann ich das, was ich jetzt höre und lese, viel besser einsortieren.

Meist endet meine Recherche hier. Bei manchen Themen geht sie weiter. Wenn ich weiter recherchieren möchte, ist der nächste Schritt fast immer … ein nächstes Buch. Nach dem muss ich nicht lange suchen, denn es wurde in dem Standardwerk häufig erwähnt, vielleicht als das Werk mit einer „konkurrierenden Meinung“.

Neugierde ist wichtiger als ein Prozess

Mir hilft dieser Prozess. Das heißt nicht, dass ich mich immer streng an ihn halte. Manchmal breche mittendrin hab, aber noch häufiger verliere ich mich in einem Thema und investiere unverhältnismäßig viel Zeit.

Na und? Ich bin kein Computer. Neue Themen machen mir Spaß. Und vielleicht ist das in unserer Welt noch viel wichtiger als das perfekte Recherchesystem: die Freude daran, sich mit Neuem zu beschäftigen.

Was ist dein nächstes Thema?


  1. Jeder Wikipedia-Artikel schleppt seine allererste Version als ewiges Erbe mit sich und e ↩︎

  2. Aus diesem lesenswerten post: 3 Rules for Choosing Nonfiction Books - Herman Schaaf ↩︎

  3. Readwise erklären ↩︎

  4. Quelle: Das Zettelkasten-Prinzip – Erfolgreich wissenschaftlich Schreiben und Studieren mit effektiven Notizen (Sönke Ahrens, 2017) ↩︎

  5. Quelle bielefeld ↩︎